Vom Glück, in die Mozartstadt zu reisen und die vielen, kleinen außergewöhnlichen Geschäfte zu entdecken...
Als ich am Morgen voller Vorfreude die Vorhänge von meinem Zimmer aufzog, schneite es vor dem Fenster dicke Schneeflocken. Salzburg empfängt uns an diesem Vormittag strahlend schön. Nach dem Frühstück nehmen wir den Aufzug hoch zum Mönchsberg und genießen den weiten Blick über die mit Schnee überzuckerten Dächer. Wie lange haben wir auf diesen Moment gewartet! Den Moment kurz innehaltend folgen wir schließlich dem Weg hinunter in die Altstadt.
Auf dem Domplatz stehen Kutscher in langen gewachsten Regenmänteln. Wer mag kann auf den gepolsterten Bänken Platz nehmen und die Altstadt zu Pferde besichtigen. Vor dem Eingang des Doms spielen rotwangige Bläser in dicke Schladminger Lodenjacken gehüllt ein alpenländisches Lied hingebungsvoll und Gänsehaut verursachend. Salzburg ist die Stadt der Töne. Sichtlich berührt setzten wir unseren Spaziergang fort durch den Friedhof Sankt Peter.
Zwischen dem Friedhof St. Peter und dem Kapitelplatz befindet sich die Stiftsbäckerei St. Peter. Hier wird seit mehr als 700 Jahren Brot gebacken. Wer eine Schwäche für gutes Holzofenbrot hat, sollte nicht versäumen, hier einen Laib „St.-Peterer“ zu kaufen.
Draußen dreht sich das Mühlrad am Almkanal.
Hinter der schweren grünen Holztür stehen die Kunden im kühlen historischen Gewölbe und warten geduldig bis sie an der Reihe sind. Die Atmosphäre in dieser Bäckerei ist sehr authentisch bewahrt. Franz Grabner ist langjähriger Müller- und Bäckermeister und leitete über 30 Jahre die Stiftsbäckerei. Heute hat er sie an seinen Nachfolger weitergegeben. Voller Stolz führt er uns durch die Bäckerei und die Mühle. Mit der Energie aus dem Almkanal wird hinter dem Gemäuer Roggenmehl aus der Salzburger Region vermahlen. In der Bäckerei wird es schließlich zu wunderbar duftenden Brotlaiben verarbeitet. Für die Befeuerung des Holzofens verwendet der Bäckermeister übrigens ausschließlich Holz aus den Wäldern des Stifts Sankt Peter.
Soeben sind frische Brioches und ein Blech meiner Lieblingssemmel aus dem Ofen gekommen: Vintschgauer. Sie erinnern mich an einen langjährigen Tausch mit einem alten Studienfreund. Er musste mir versprechen, Original Vitschgerl aus seiner Tiroler Heimat mitzubringen. Als Gegenleistung überraschte ich ihn mit einer Spezialität von meinem Besuch in der Senfhauptstadt Dijon.
„Wollen’s a Sackerl?“, fragt die Verkäuferin in weißer Kittelschürze. Ja, bitte eine Tasche, um den schweren, verführerisch duftenden „St.-Peterer“ zu tragen. Mit einer warmen Brioche in der anderen Hand setzen wir unseren Spaziergang durch die Getreidegasse fort.
Es ist später Nachmittag geworden. Am Residenzplatz 3 steht in alter Schrift über einem Schaufenster „Jahn-Markl Sämischgerberei - Lederfärberei u. Säcklerei“. Vor 600 Jahren wurde an diesem Standort Salzburgs älteste Gerberei gegründet.
Im Inneren des Ladens hat man sofort das Gefühl, als wäre die Zeit hier irgendwann stehen geblieben. In Holzregalen stapeln sich akkurat aufeinander gelegte Lederhosen aus feinstem Hirschleder. In einer Glasvitrine liegen Damen- und Herrenhandschuhe, nach Größe sortiert.Gabriele Jenner, die das Geschäft von ihrem Vater übernommen hat, ist eine erstaunliche Frau. Sie lacht oft und erzählt uns mit strahlenden Augen von der Geschichte des Hauses.
Auf dem Tresen öffnet sie das ledergebundene Gästebuch des Geschäfts und beginnt zu erzählen. Behutsam, wohl wissend um den Wert jeder einzelnen Seite, blättert sie in der Geschichte ihres Ladens. „Da sind Kunden drin, der Kaiser Franz Josef, der Karajan und hier Tracy Chapman, damit wir auch wieder in der neuen Zeit sind“, kommentiert sie.„Schauen Sie hier auf dem Foto, da steht Marlene Dietrich vor unserem Geschäft. Sie hat sich ein wunderschönes Lodenkostüm und die passenden Handschuhe dazu ausgesucht.“ Die europäischen Adelshäuser zählen nach wie vor zur Kundschaft von Gabriele Jenner. Doch sie legt Wert darauf, dass einfach jeder bei ihr willkommen ist, der sich für Lederbekleidung interessiert.
Gabriele Jenner zeigt uns das natürlich gegerbte Hirschleder, aus dem die Lederhosen nach dem Wunsch der Kunden handgefertigt werden. Nicht selten kommt es vor, dass der Jäger mit dem Leder seines selbst geschossenen Hirsches zur Ladentür hereinkommt, um sich daraus eine Hose fertigen zu lassen.
Dann steigt sie die Leiter hinauf und greift zu einer langen Lederhose aus dem oberen Regal. Es ist ein gerader Damenschnitt. "Das Besondere daran ist, dass sie in einem Stück genäht ist." 800 Euro aufwärts muss der Kunde für solch eine Hose aufbringen. Dafür begleitet sie einen ein Leben lang und man möchte sie, sobald man in den Genuss des angenehmen Leders gekommen ist, am Liebsten gar nicht mehr ausziehen.
Zum Abschluss zeigt uns Gabriele Jenner stolz noch die Lederhose, die der Kaiser Franz-Josef damals im Geschäft anfragte. Die Farbe des Leders war für die damalige Zeit revolutionär.
Endlos könnte man den Geschichten dieser Salzburgerin an diesem Wintertag lauschen. Noch ein flauschiger Ohrensessel und ein knisterndes Kaminfeuer und die Szenerie wäre perfekt.
Zeit für eine Tasse Tee und eine Mozartkugel im Café Fürst. Seit 1884 gibt es die altehrwürdige Konditorei der Familie Fürst in der Brodgasse beim Alten Markt. Konditormeister Paul Fürst ist der Erfinder der Original Salzburger Mozartkugel. Ob eine Mozart-Symphonie den Erfindergeist des Meisters beflügelt hat, ist nicht bekannt. Seine Komposition aus feinstem Nougat, Marzipan und Pistazien, seine süße Hommage an den Sohn der Stadt sorgte für eine Welle der Begeisterung. Auf der Pariser Weltausstellung 1905 wurde dem Salzburger Konditor für sein neues Produkt die Goldmedaille verliehen. Der Erfolg kührte zahlreiche Nachahmer. Viele wollten an der begehrten Kugel mitverdienen. Heute werden die meisten Mozartkugeln in der Schokoladenfrabrik produziert. Aber es gibt den feinen Unterschied: Ganz im Sinne seines Urgroßvaters stellt Norbert Fürst die Kugeln noch in handwerklicher Tradition her. Mit Hilfe von Holzstäbchen werden sie täglich frisch in dunkle Schokolade getaucht und anschließend in Silberstanniol mit blauer Aufschrift gewickelt.
Mit weißen Handschuhen bringt uns die Bedienung die Mozartkugel auf einem Teller. Behutsam öffnen wir das Silberpapier, schneiden sie sorgfältig in der Mitte durch und lassen das Nougat auf der Zunge zergehen.
"Wenn eine Mozart-Symphonie gespielt wirdt, ist die Stille hinterher auch noch von Mozart", schrieb der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer. In der Theatergasse am rechten Salzachufer scheint jeder Quadratzentimeter des Bodens durchwoben von Tönen. Das Geburtshaus von Herbert von Karajan, das Wohnhaus der Familie Mozart, das Landestheater und das Mozarteum sind hier in unmittelbarer Nähe und sorgen für eine pulsierende musikalische Dichte.
Und wo treffen sich die Dirigenten, Musiker, Sänger und Theaterintendanten zum kurzen Stehimbiss? Es gibt dort nur einen und das ist der Kölbl! Kleine Sinfonien für den Gaumen serviert Heinrich Kölbl seinen Gästen in einem der älteste Feinkostgeschäfte der Stadt. Nur kurz den Wintermantel öffnen, den winterlichen Spaziergang unterbrechen und sich zu einem der runden Tische führen lassen. Plaudernd, scherzend, genießend verfliegt die Zeit bei köstlichen Kanapees und frisch gepressten Säften.
Die Nacht ist hereingebrochen in Salzburg. Die ersten Geschäfte schließen laut hörbar ihre schweren Eisenpforten. Die Ladenbesitzer sperren zu, wie es in Österreich heißt. Vom Himmel fallen Schneeflocken. In der Wiener-Philharmoniker-Gasse 7 werden wir bereits erwartet.